
Ein Virus offenbart unsere Schwachstelle
Die Coronavirus-Krise hat gezeigt, dass wir dringend mehr ethnische Vielfalt in den österreichischen Redaktionen brauchen. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. CLARTEXT Eine Kolumne über Diversität und Migration von Clara Akinyosoye, Illustration: Petja Dimitrova
Eines vorweg: JournalistInnen haben in der Coronavirus-Krise unter schwierigen Bedingungen Großartiges geleistet. Die Krise offenbarte aber auch Schwachstellen in der Medienbranche. In Österreich hat rund ein Viertel der 8,8 Mio. Menschen einen Migrationshintergrund. Rund 1,4 Mio. haben eine nicht-österreichische Staatsbürgerschaft, 2018 wanderten etwa 146.900 Menschen ein. Rund 1,1 Mio. SchülerInnen haben eine andere Umgangssprache als Deutsch. Wenngleich diese Fakten nichts darüber aussagen, wie gut oder schlecht jemand Deutsch spricht, zeigen sie doch eines: Österreich ist ein Einwanderungsland, ein Land mit ethnischer und sprachlicher Vielfalt. Es braucht in den Redaktionen dieses Landes mehr Menschen, die diese Vielfalt widerspiegeln.
Infos über die Coronavirus-Maßnahmen gab es in traditionellen Medien anfänglich nur oder fast nur in deutscher Sprache. Mit der Zeit besserte sich das. Einige Medien boten im Laufe der Krise auch Infos in den Sprachen der migrantischen Communities an. Federführend beteiligt waren oftmals RedakteurInnen mit Migrationshintergrund, die schnell bemerkten, dass in der Berichterstattung auf einen Teil der Bevölkerung vergessen worden war. Wenngleich letztlich einige gute Initiativen gesetzt wurden, hat sich gezeigt: Das Verständnis, dass Medien eine sprachlich und ethnisch vielfältige Bevölkerung informieren müssen, ist nicht allgegenwärtig.
Der freie Journalist Michael Bonvalot deckte auf, dass der quasi staatliche Österreichische Integrationsfonds in seinen mehrsprachigen Infos für MigrantInnen vermittelte, auch Spaziergänge und Sport im Freien seien verboten. Medien berichteten lapidar, der ÖIF informiere MigrantInnen „unvollständig“. In Wirklichkeit wurde einem Teil der Bevölkerung der Eindruck vermittelt, Luftschnappen stehe unter Strafe. Ich habe aber JournalistInnen vermisst, die im Rahmen ihrer Interviews über die Einschränkung unserer Grundrechte bei PolitikerInnen nachfragten.
Eine Blamage, eigentlich. Mit mehr Sinn für die Einwanderungsgesellschaft und ethnisch diversen Redaktionsteams wäre das wohl anders gelaufen.
Clara Akinyosoye ist Journalistin bei orf.at und Ex-Chefredakteurin von M-Media.
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